1984 ist längst Realität

Mit Schaudern erinnere ich mich an den Deutsch-Unterricht in dem der Roman „1984“ von George Orwell besprochen wurde. Ich kann mich noch genau daran erinnern wie die dort konstruierte Überwachungsgesellschaft alles negierte was ich jemals von einem  demokratischen Rechtsstaat gelernt hatte und auch in den weiteren Jahren lernen konnte. Eigentlich erschien es mir selbstverständlich, dass ein solch durchdringender Kontrollmechanismus nach der deutsch-deutschen Vereinigung nicht mehr in meiner Lebenswirklichkeit Fuß fassen könnte.

Die letzten Jahre haben mich in der Hinsicht allerdings sehr erschüttert. Momentan findet der 29. Kongress des Chaos Computer Clubs statt. Dort haben ein paar ehemalige Mitarbeiter der Geheimdienstes NSA in den USA davon berichtet, welche umfassenden Überwachungsmaßnahmen dort nach dem 11. September 2001 in Angriff genommen wurden. Überwachungstechniken,  die alles in den Schatten stellen, was jemals in „1984“ vorausgedacht wurde. Und noch erschütternder ist, dass dies nicht nur weit entfernt am am anderen Ende des Atlantiks ausgebaut wird, sondern auch hier, im Herzen Europas.

Auch in Deutschland wird seit Jahren ein Überwachungssystem propagiert, das alles und jeden in den Fokus ständiger Kontrolle und ständiger Überwachung durch Telekommunikationsfirmen setzt. In einer digitalisierten Gesellschaft, die sich durch Facebook mit anderen in Verbindung setzt, die sich durch Google und Youtube informiert und unterhalten lässt und die sich durch Mail und SMS mit Freunden und Verwandten in Verbindung hält wird das Recht auf private Kommunikation und anonyme Willensbildung mehr und mehr mit Füßen getreten.

Denn auch wenn man auf den ersten Anschein hin nichts zu verheimlichen hat, sollte man sich darauf verlassen können, dass Privates privat bleibt und Menschen die Unrecht erfahren haben oder Unrecht benennen können, dies ohne Angst vor staatlicher Verfolgung tun können. Wir alle sind abhängig davon, dass es mutige und manchmal auch selbstlose Menschen gibt, die Korruption und Vetternwirtschaft aufdecken. Die Unrecht, Gewalt, Willkür und jeglicher Form ungerechter Verhaltensweisen entgegentreten.

Doch je mehr unsinnige Überwachungsmaßnahmen für ein vermeintlich ausgebautes Sicherheitsgefühl installiert werden, desto mehr verliert unsere Gesellschaft die Möglichkeit, ihren demokratischen, rechtsstaatlichen Kern zu wahren und den einzelnen Bürger vor ungerechtfertigter Verfolgung oder Beschuldigung zu schützen. Schon seit einigen Jahren sollten wir nicht mehr vor der Entscheidung stehen, welche Überwachungsmaßnahmen weiter nötig sind, sondern auf welche wir verzichten können. Denn nur ein solcher Rückbau an Überwachung kann uns vor einer Schreckensherrschaft, wie sie der Roman „1984“ beschreibt, bewahren.

Anti-ACTA-Demo Berlin

Anti-ACTA-Demo Berlin

Gestern war der in zahlreichen europäischen Städten, und darüber hinaus auch weltweit, ausgerufene Demonstrationstag gegen ACTA. Ich war erstaunt, wie viele dann auch (wie ich in Berlin) gekommen sind. Trotz eisiger Kälte und der Ankündigung aus der Regierung am Tag davor, die Unterschrift erst mal zu verweigern. Ob das Taktik war um die sich abzeichnenden Demonstrationen irgendwie zu schwächen oder einfach aus einem Gefühl der Überrumpelung entstand, angesichts der sich entwickelnden großen Teilnahme, wird sich noch herausstellen. Es war aber sehr ermutigend zu sehen, dass auch bei widrigen Bedingungen solch eine große Anzahl von Menschen bereit war ein Zeichen gegen ACTA und den damit verbundenen, mehr als kritikwürdigen Entscheidungsprozess hinter verschlossenen Türen, zu setzen.

Besonders auffallend war die  große Anzahl sehr junger Teilnehmer. Auf ähnlichen Demonstrationen, wie etwa den jährlichen Zusammenkünften im Rahmen der „Freiheit statt Angst„-Demos“, kann ich mich nicht erinnern, dass der Block der (geschätzt) 16-20-jährigen irgendwie auffiel. Das war gestern aber absolut der Fall und eine der großen Überraschungen für mich. Man darf gespannt sein, wie sich das in Zukunft darstellt. Das zähe Ringen um die Entscheidungshoheit im digitalen Raum dürfte noch lange viele Menschen auf die Straße bringen.

Als ich dann zufällig ein Gespräch einiger der sehr jungen Demonstrationsteilnehmer aufschnappte, war auch schon wieder vom ominösen Bubble Tea die Rede. Ich hab erst vor kurzem erfahren, dass es den überhaupt gibt und dann auch immer nur von unter 20-jährigen davon gehört… ich glaub ich muss den auch mal probieren.

Hier gibs jetzt noch ein paar Aufnahmen vom gestrigen Tag in Berlin. Wer mir einen Bubble Tea ausgeben will, möge sich bitte in den Kommentaren melden :-). Mehr lesen