Hatten wir morgens beim Frühstück an unserem vierten Tag auf dem Elberadweg noch Angst, dass sich der Gegenwind vom Vortag wieder zeigen würde, bemerkten wir direkt nach unserer Abfahrt einen äußerst angenehmen luftigen Helfer in unserem Rücken. Keine Stunde vom Zeltplatz entfernt erreichten wir Gorleben und nutzten die Möglichkeit, dort für ein zweites Frühstück zu halten. Wenige Orte dieser Größenordnung dürften ja einen ähnlichen Bekanntheitsgrad haben wir Gorleben. Dort sitzend habe ich gemerkt, wie ich eine komplett falsche Vorstellung von Gorleben hatte. Ein Ort, der noch wesentlich kleiner ist als ich erwartet habe und mit zahlreichen Fachwerkhäusern einen sehr schönen und gemütlichen Eindruck vermittelt.
Unsere letzten beiden Tage auf dem Elberadweg waren im weiteren Tour-Verlauf im besten Sinne unspektakulär. So überraschten uns zwar keine Hund mehr die uns begleiten wollten und auch der Zeltplatz unserer nächsten Nacht bot außer einer äußerst steilen und damit anstrengenden Auffahrt keine besondere Aufmerksamkeit.
Zwei Tage mit bestem Wetter und einer guten Portion Rückenwind machten es aber zum Vergnügen die Landschaft zu genießen und ohne Zwischenfälle unseren Zielpunkt Lauenburg zu erreichen. Ich kann jedem der mit dem Gedanken spielt, einmal eine Radtour an der Elbe zu machen nur dazu raten und verabschiede mich mit einem letzten Schwung Bilder unserer letzten beiden Urlaubstage.
Die Gastfreundschaft mit selbst angebautem Tee vom Vortag wurde an diesem Morgen mit einer großen Auswahl selbst gemachter Marmeladen, einer sehr leckeren Kräuterbutter und prallen, roten Sommertomaten noch übertroffen. Auch die beiden Hundewelpen ließen weiterhin keinerlei Scheu auftreten und tollten um den Frühstückstisch herum.
Derart körperlich und seelisch gestärkt konnten wir voller Energie zur nächsten Tagesetappe los ziehen. Das Wetter sah vielversprechend aus und die Strecke führte fast komplett an der hier besonders stark geschlängelten Elbe entlang. Bald zeigte sich jedoch, dass das Wetter auch an diesem Tag nicht gänzlich ungetrübt unser vorankommen prägen sollte. Wir waren nämlich, je nach aktueller Richtung des kurvigen Flusslaufes, mit einem ziemlich starken Gegenwind konfrontiert. Nach einer sehr entspannten Nacht und dem schönen Frühstück konnten wir dem Wind glücklicherweise etwas entgegensetzen, machten uns aber Sorgen um unsere Kondition, falls uns dieser Wind auch in den nächsten Tagen entgegen blasen würde.
Noch aber genossen wir die die schöne Landschaft. Bei Schnackenburg wechselten wir ein weiteres Mal die Flussseite und passierten damit wieder einmal die ehemalige deutsch-deutsche Grenze. Im örtlichen Hafencafé servierte man uns ein mehr als üppiges Mittagsmahl und wir wurden darauf hingewiesen, unseren Hund bitte nicht an einen der Stühle fest zubinden. Der Hund eines früheren Gastes konnte wohl erst in 200 Metern Entfernung auf dem Dorfplatz, bei der Jagd nach einer Katze gestoppt werden … samt Stuhl aus dem Café.
Ab Schnackenburg führte uns der Weg von der Elbe weg und wir passierten mehrere kleine Ortschaften. Am Ende einer dieser Orte begleitete uns plötzlich ein fremder Hund. Alle Versuche meinerseits ihn davon zu überzeugen, wieder zurück zu laufen wurden jedoch nur mit einer ziemlich konsequenten Ignoranz quittiert. So haben wir dann das erste uns entgegenkommende Auto angehalten, in der Hoffnung derjenige weiß vielleicht wo der Hund hingehört. Aber weit gefehlt. Nach kurzer Diskussion kam die Frage ob unser Hund schussfest sei. Wenn ja, könne er ja in die Luft schießen um den anderen Hund zu vertreiben. Wir lehnten ungläubig ab und machten uns mit unserer unfreiwilligen Begleitung weiter auf den Weg. Nachdem uns auch zwei oder drei weitere Ortsansässige, die wir auf den nächsten Kilometern trafen, nicht helfen konnten, hatten wir schon fast akzeptiert in der vergrößerten Gruppe weiter zu fahren. Aber da hatte der Hund dann wohl genug von uns und blieb im nächsten Ort unvermittelt stehen.
Der Rest der Tagesetappe gestaltete sich dann recht erlebnisarm, wusste aber durch zahlreiche Gänse am Elbufer, weite Wiesenlandschaften und sehr schöne Fachwerkhäusern zu gefallen. Unser Nachtlager schlugen wir diesmal auf einem Zeltplatz auf, der mit Kochnische und vorhandenen Stühlen und Tischen für die Gäste, weit komfortabler ausfiel als erwartet.
Nach dem schönen, aber gerade gegen Ende anstrengenden ersten Tag, hatten wir die erste Nacht und den damit einhergehenden Schlaf herbeigesehnt. Die doch sehr späte Ankunft am Vortag und ein nächtlicher Schlafplatzumzug von der Scheune ins Wohnhaus ließ uns erst sehr spät, so gegen 11 Uhr, und weit weniger erholt als erhofft, starten. Auch die vor Ort vorhanden Sanitäranlagen (siehe Fotos) führten nicht gerade dazu, besonders entspannt in den Tag zu gehen. Nichtsdestotrotz war es sehr spannend auf diesem Hof, der von einer Selbstversorgerin mit großem Gemüsegarten bewohnt wird, zu übernachten.
Um die späte Fortführung unserer Radreise ein wenig zu kompensieren, ließ ich noch schnell einen Blick auf Google Maps schweifen, um den kürzeste Route zurück auf den Radweg zu finden. Nachdem wir den kleinen Ort verließen, führte die herausgesuchte Strecke auch zunächst auf einen vielversprechend aussehenden Waldweg, fernab von jeglichem störenden Straßenverkehr. Es dauerte allerdings nicht lange, bis die vermeintliche Abkürzung ihr wahres Gesicht zeigte. Gerade weit genug gefahren, um sich gegen eine Rückfahrt zu entscheiden, verwandelte sich der Weg in eine Aneinanderreihung von Sandlöchern. Deren Durchquerung hat uns sicherlich ein Stunde und mindestens die Kraft für das dreifache der sonst in der Zeit zu schaffenden Strecke gekostet.
Nachdem wir wieder auf der Straße angekommen waren, schafften wir zwar einiges an Strecke, jedoch verfinsterte sich recht bald der Himmel. Wir waren natürlich auch für widriges Wetter ausgerüstet, aber nach kurzer Fahrt durch Wind und Regen passierten wir das „Landhotel Eichenkrug“ in Groß Breese und entschlossen uns dort eine Mittagspause einzulegen. Eine sehr gute Entscheidung wie sich herausstellte. Regionale Küche mit eigenem Tierbestand ließen uns sehr gern zum Schnitzel auf der Karte greifen und es schmeckte wahrlich vorzüglich.
Körperlich gestärkt, aber immer noch mit einem miesen Wetter konfrontiert, fuhren wir noch bis ins nahe gelegene Wittenberge. Dort blätterten wir kurz in einem Herbergsverzeichnis und entschlossen uns die Fahrt für heute zu beenden. Ein willkürlicher Griff auf eine der Herbergs-Annoncen nahm uns die Entscheidung für eines der zahlreichen Angebote ab. Ich rief kurz an um zu fragen ob noch ein Zimmer frei wäre und fragte auch, ob unser Hund dort willkommen sei. Ein euphorisches „Wir lieben Hunde, selbstverständlich kann der mitkommen. Wir haben auch gerade zwei ganz junge Welpen hier“ fassten wir als ein schönes Zeichen für einen hoffentlich entspannten Ausklang des anstrengenden Tages auf.
Nach kurzer Fahrt klingelten wir bei unserer herausgesuchten Schlafstätte und wurden von einer Frau jenseits der achtzig empfangen und sofort gefragt, wo denn unser Hund sei. Nachdem alle miteinander vorgestellt waren, bezogen wir unser Zimmer und folgten der Einladung zum Tee, die uns direkt bei Ankunft unterbreitet worden war. Die alte Dame servierte Tee aus dem eigenen Garten und unterhielt uns sicherlich mindestens eine Stunde. Auch die angekündigten Hundewelpen zeigten keinerlei Scheu und tobten die ganze Zeit um unsere Füße herum.
Eine so herzliche Begrüßung und der anschließende Anblick einer Dusche und zweier äußerst bequem anmutender Betten ließ uns sicher sein, dass diese Nacht erholsamer sein würde als die davor. Damit stieg auch die Vorfreude auf die nächste Tagesetappe mit der Gewissheit, diesmal etwas weiter zu kommen.
Ende August haben wir – meine Freundin, unser Hund und ich – uns auf den Weg gemacht um ein paar Tage an der Elbe entlang zu radeln. Gestartet sind wir morgens in Schönhausen (Elbe). Um dort hin zu gelangen mussten aber zunächst wir, unser Gepäck und unsere zwei Fahrräder samt Hundeanhänger eine 2-stündige Zugfahrt unternehmen. Dies gestaltete sich bis Rathenow, dank halbwegs geräumiger Fahrradabteile im Regionalexpress von Berlin, noch als nicht allzu stressige Angelegenheit. Die zahlreichen anderen Fahrradreisenden um uns herum ließen jedoch schon vermuten, dass es nicht so bleiben wird.
Und spätestens als alle in Rathenow ausgestiegen waren wurde klar, dass der Anschlusszug (eine Regionalbahn) schon Probleme bekommen wird, allein die ganzen Passagiere, die ohne Fahrrad unterwegs sind, mitzunehmen. Der Blick der 10-köpfigen Radreisegruppe neben uns, als die aus gerade mal zwei Waggonabteilen bestehende Regionalbahn einfuhr, sprach schließlich Bände. Letztendlich hatten wir das Glück noch einen Platz im nicht für Fahrräder vorgesehenen Einstieg mitsamt unseres, wie für eine Weltreise anmutenden, Gepäcks zu ergattern. Der Blick aus dem Fenster auf ein gutes Dutzend nicht so glücklicher Menschen mitsamt ihrer Fahrräder ließ uns aufatmen und auf den Start unserer Reise auf eigenen Rädern freuen.
Ein toter Waschbär der uns bereits auf den ersten 500 Metern am Straßenrand begegnete, erwies sich glücklicherweise nicht als schlechtes Omen und so sind wir schnell von der Bundesstraße in die Elbauen Richtung Radweg gewechselt. Der erste Anblick der Elbe sollte auch direkt mit der ersten Überquerung des Flusses einhergehen. Am Ende einer Straße führte ein Betonsohle in den breiten, von einem satten Grün gesäumten Fluss. Auf der anderen Seite war die Fähre „Arneburg“ zu sehen und wir genossen die Ankunft an der Elbe. Erstaunlich leise näherte sich die Fähre und dies lag an einer interessanten Konstruktion. In der Mitte des Flusses war ein Stahlseil, das über mehrere Bojen bis zur Fähre reicht, verankert und mithilfe der nicht geringen Strömung wird so die Überquerung fast komplett ohne Motorhilfe bewerkstelligt.
Auf der westlichen Elbseite führt der Radweg zunächst in einem großen Bogen um den direkt am Fluss gelegenen Industriepark Altmark. Von diesem, auf dem Gelände des ehemaligen AKW Stendal gelegenen Komplexes, bekommt man aber nur einen als Fixpunkt am Horizont erscheinenden Schornstein mit. Der Weg selbst geht zunächst durch mehrere kleine Ortschaften und verläuft später hauptsächlich neben oder auf dem Deich am Rande der Elbauen. Und hier zeigte sich sofort der ganze Reiz des Elberadwegs. Der weite Blick in eine vor grün nur so strotzende Landschaft, durch Fachwerkhäuser geprägte Orte und nicht zuletzt der sehr gut zu fahrende Weg selbst machten es zum Vergnügen die Kilometer an sich vorbeiziehen zu lassen.
Schon hier, noch weit entfernt vom Wendland, ist uns das erste rote X als Zeichen der Antiatomkraftbewegung begegnet. Diese sollten wir in den nächsten Tagen noch dutzendfach zu Gesicht bekommen. Dies und der Wechsel der Elbseite als Überquerung der ehemaligen innerdeutschen Grenze im späteren Verlauf des Flusses machen die Fahrt an der Elbe auch zu einer Fahrt durch entscheidende Teiler deutscher Geschichte.
Der Gedanke daran fiel uns im späteren Verlauf der ersten Tagesetappe aber immer schwerer. Waren wir am späten Nachmittag zunächst einem imposanten Regenschauer, der vor uns vorbeizog, entkommen, erreichten wir unser erstes Tagesziel nach knapp 70 gefahrenen Kilometern doch deutlich später als erwartet. Die Reise mit Hund samt Anhänger wirkte sich so auf unsere Reisegeschwindigkeit aus, dass wir erst am frühen Abend auf dem Hof einer freundlichen Couchsurferin ankamen und dort, noch ehe wir in der Lage waren einen vernünftigen Unterstand zu suchen, von einem Platzregen erwischt wurden.
Nass und geschafft bauten wir recht bald unser Nachtlager auf und freuten uns zunächst mehr auf etwas erholsamen Schlaf, als auf auf den nächsten Tag. Aber die Tour fing ja gerade erst an.
Die Vorbereitungen für eine längere Radtour mit Hund im Sommer laufen. Bei diesem ersten Test scheint der Anhänger nicht gänzlich unsympathisch gewesen zu sein :-).