Post von Rainer Brüderle

Nachdem vor ca. einem halben Jahr schon mal eine umstrittene Postwurfsendung der FDP im Namen von Rainer Brüderle in meinem Briefkasten landete, geschah dies heute wieder. Ein 2-seitiger Brief in dem er zunächst stichpunktartig darlegt, welche Wohltaten der FDP zu verdanken sind und wo seiner Meinung nach noch Änderungen angebracht seien. Vom Aufhänger einer drohenden Inflation wird sodann eine Steigerung der Energiepreise als abzuwendendes Übel identifiziert:

Rot-Grün hat im Erneuerbare-Energien-Gesetz (EEG) allen Anbietern von Solar-, Wind-, und Agrargasstrom einen hohen Garantiepreis zugesichert – auf Kosten aller Stromkunden. Als Folge wird der Strom für Haushalte und Industrie teurer. Das gefährdet Arbeitsplätze. Die FDP-Bundestagsfraktion hat daher eine erste Reduzierung der Überförderung beim EEG erreicht. Wir wollen die übermäßige Subventionierung weiter absenken und damit den Anstieg der Stromkosten beschränken.

Dieser kleine Absatz hat es in sich und kommt vom Urheber des EEG (Rot-Grün) direkt auf die damit angeblich einhergehenden Probleme (höhere Energiekosten) für uns alle zu sprechen. Der Wahlkampf ist eröffnet und die Schlagrichtung der FDP wird deutlich. Aber wie hier ein Zerrbild der Realität dargestellt wird ist schon beachtlich. Deswegen möchte ich kurz die einzelnen Argumente ein wenig näher beleuchten:

das EEG bietet den Anbietern regenerativer Energien einen hohen Garantiepreis auf Kosten aller Stromkunden

Ein Garantiepreis – die sogenannte Einspeisevergütung – ergab sich aus dem Umstand, dass die großen Energieunternehmen kleineren Energieerzeugern den Zugang zu ihrem Verbundnetz verweigerten oder zumindest stark erschwerten. Damit wurde also nicht nur der Einstieg von (vor allem kleinen) Anbietern „grüner“ Energie ermöglicht, sondern allgemein der Anfang für ein Aufbrechen des vorhandenen Energiesystems hin zu mehr Konkurrenz gemacht. Denn mangelnde Konkurrenz bedeutete gerade in diesem Bereich eben auch eine mangelhafte Entwicklung des Strompreismarktes – auf Kosten aller Stromkunden.

Und schon unter Rot-Grün war klar, dass die Einspeisevergütung im Besonderen Maße als ein Instrument zur Marktaufbrechung dienen sollte. Deswegen wurde von Anfang an eine langsame Verminderung der zugesicherten Garantiepreise beschlossen.

als Folge wird der Strom für Haushalte und Industrie teurer

Die Kosten für Haushalte und Industrie sind durch das momentan gültige EEG sehr unterschiedlich zu bewerten. Da energieintensive Unternehmen eine Freistellung an der Beteiligung der sogenannten EEG-Umlage beantragen können, verschieben sich die Lasten zu Ungunsten privater und kleiner Energieverbraucher. Mag dies im Einzelfall vielleicht noch berechtigt sein, stellt sich die Lage momentan so dar, dass mittlerweile tausende Unternehmen eine Befreiung dieser Umlage-Beteiligung beantragt haben und dabei teilweise ihren Energieverbrauch unnötig in die Höhe schnellen lassen.

Zudem ist der Großhandelspreis für Strom in diesem Sommer an der Strombörse sogar gesunken. Wind- und Sonnenenergie haben dafür gesorgt, dass Deutschland in der Zeit Strom exportieren und große Stromabnehmer, die direkt an der Börse ihren Strom einkaufen, sich günstig versorgen konnten. Eine Anpassung der Endkundenpreise aufgrund der gesunkenen Börsenpreise fand allerdings nicht statt.

Die jeweilige Höhe der Energiepreise wird demnach nicht nur sehr unterschiedlich verteilt. Die (erst unter Schwarz-Gelb) eingeführten Instrumente zur Entlastung der Industrie führen sogar dazu, Anreize für mehr Energieverbrauch (als nötig) zu schaffen.

Wir wollen die übermäßige Subventionierung weiter absenken

Dass schon unter Rot-Grün eine langsame Absenkung der Subventionen für die erneuerbaren Energien vorgesehen war, habe ich bereits weiter oben geschrieben. Die Frage, ob die Subventionierung übermäßig ist, verlangt dabei einen Vergleich mit den fossilen und atomaren Energieträgern.

Besonders Steinkohle und Atomkraft wurden im Verlauf der letzten 30-40 Jahre wesentlich stärker als die regenerativen Energien subventioniert. Und das geschah und geschieht zumeist über indirekte Abgaben, die nicht auf der Stromrechnung ausgewiesen werden müssen. Als Beispiel seien nur die immer noch fortwährende Subventionierung des Steinkohleabbaus oder die zahlreichen Folgekosten der Atomkraft zu nennen.

Dazu kommen weitere versteckte Einsparmöglichkeiten. Die Betreiber müssen z.B. ein Atomkraftwerk lediglich für Schäden in einer Höhe von 2,5 Milliarden Euro versichern. Für Schäden die darüber hinausgehen, haftet der Staat und damit die Allgemeinheit. Müssten die Betreiber ihre Kraftwerke mit einem Betrag versichern, der den realistisch zu erwartenden Schäden im Falle eines GAUs entspricht, dürften sich die direkten Kosten wohl um einiges erhöhen. Der Blick nach Japan nach dem Unglück von Fukushima zeigt, dass dort mit Schäden von fast 100 Milliarden Euro gerechnet wird (Link entfernt, da er aufgrund der Depublizierung bei der ARD nicht mehr verfügbar ist).

EEG als Ursache der Energiepreis-Erhöhung?

Der ganze Abschnitt in dem Brief von Rainer Brüderle macht den Eindruck, als sei nur das EEG als Ursache für eine Erhöhung der Energiepreise auszumachen. Genau die Argumentation, mit der schon vor kurzem die Initiative Neue Soziale Marktwirtschaft öffentlich Stimmung machen wollte.

Schaut man sich den durchschnittlichen Strompreis von 25,74 Cent/KWh für das Jahr 2012 an, macht die EEG-Umlage davon gerade einmal 3,59 Cent oder 13,95 % aus. Die Erhöhung der EEG-Umlage auf 5,28 Cent für das Jahr 2013 entspräche dabei einem Anteil von 19,25 % (sofern sich die anderen Einflüsse auf den Strompreis nicht ändern). Dieser vermeintlich starke Anstieg ist aber zu einem guten Teil gar nicht den erneuerbaren Energien zuzuschreiben. Zwei Punkte sind dabei besonders entscheidend:

  1. Allein 25% der EEG-Umlage setzen sich daraus zusammen, dass zurzeit etwa die Hälfte des industriellen Stromverbrauchs ganz oder teilweise von der EEG-Umlage befreit ist.
  2. Die EEG-Umlage ergibt sich aus der Differenz zwischen dem Einkauf und dem Verkauf des geförderten Stromes. Da der Einkauf durch die garantierten Strompreise für die Energieunternehmen derzeit noch teurer ist als der Preis, den sie im Verkauf an der Strombörse dafür bekommen, stellt die EEG-Umlage diese Differenz sicher. Der Börsenstrompreis sank 2012 aber wegen des großen Stromangebots gerade durch die erneuerbaren Energien. Und da im Gegenzug die Strompreise für die Haushalte nicht angeglichen wurden, vergrößerte sich die Differenz und damit die EEG-Umlage. Allein dieser Anteil schlägt mit 13% an der gesamten EEG-Umlage für 2013 zu Buche.

Somit zeigt sich zum einen, dass der Anteil der EEG-Umlage am gesamten Strompreis eine eher untergeordnete Rolle spielt und vor allem bei weiteren Privilegien der Industrie maßvoll vorgegangen werden muss. Da diese im Gegensatz zu den Privathaushalten direkt von Preissenkungen an der Strombörse profitieren kann, kommt es zudem bei den Preisen für die Privathaushalte zu einer Verzerrung.

Das EEG als Ursache für Strompreissteigerungen an den Pranger zu stellen und dabei gigantische Unterstützungen für die klassischen Energieträger und selbst gemachte Privilegien für die Industrie zu verschweigen, zeugt jedoch von keinem feinen Stil und steht einer realistischen Betrachtung des Energiemarktes im Wege.